Donnerstag, 10. November 2016

The lost runner!

Er war jetzt auf der siebenten Runde, die Sonne stand steil, Schweißtropfen rannen in seine Augen und brannten. Sein Herz pochte stark und schnell, der ganze Körper schmerzte auf irgendeine Weise. Sicher der zehnte oder elfte seiner Klassenkameraden überholte ihn, ebenso keuchend wie er, die meisten mit hochrotem Kopf, nicht nur willig, nein, entschlossen, ihn auszustechen, vor ihm das Ziel zu durchlaufen. 

Er dachte daran wie vor zwei Tagen ein Mitschüler der Parallelklasse ein kleines Papierschälchen, an dem dieser zuvor gegessen und mit fettigem weiß-rotem Saußenschleim bedeckt, ihm dieses Schälchen von der Seite ins Gesicht gestoßen, es über sein Haar gerieben, bis er den Arm weggestoßen hatte. In dem kleinen Geschäft, das ein Sammelsurium aus Zeitungen, Süßigkeiten, Erfrischungsgetränken, kleinen, frittierten Mahlzeiten und belegten Brötchen zum Kauf anbot, hatte er vor der Zeitungsauslage gestanden und den Leitartikel einer Zeitung begonnen zu lesen, als unvorbereitet ihm von der Seite das Schälchen ins Gesicht gestoßen worden war! 

Die Begleiter seines Angreifers lachten, auch einige der anwesenden Schülerinnen, die er zuvor als attraktiv empfunden. Er schämte sich, war aber nicht bereit den in seine Augen springenden Tränen weiteren Raum zu gewähren!

Das Geschäft hatte ein Nebenzimmer, in dem man Tischfußball spielen konnte, was er gerne tat, da es ihn belebte, vergnügte und eine erfrischende Abwechselung darstellte zu den Gedanken, mit denen er sich häufig während des Tages beschäftigte. Viele dieser Fragen waren unzureichend gelöste Probleme von, wie er fand, wesentlicher Bedeutung. Dort befand sich auch eine kleine, unangenehm riechende Toilette. Er ging hinein, drehte den Wasserhahn über dem Waschbecken auf, besah sein Haar, das eigentlich lockig, doch jetzt nur dort, wo unbeschmiert, während das beschmierte Haar an der Kopfhaut und in der Stirn klebte, er sah in seine Augen, Tränen sprangen heraus, liefen rasch über seine Wange, der Mund verzerrt: Er war dabei, die Fassung und seine Selbstkontrolle weitgehend zu verlieren. Das kühle Wasser erfrischte und tat ihm gut. Es gelang ihm, sich ausreichend zu beruhigen.

Er hatte die siebte Runde geschafft, der Sportlehrer, ein wenig übergewichtig und extrovertiert, fuchtelte mit den Armen in der Luft und nahm seine Pflichten als Lehrer des Sports wahr, indem er von seinem Stehplatz jeden Schüler durch lautes Rufen anspornte, schneller zu laufen oder zumindest nicht aufzugeben. Er hatte einen starken osteuropäischen Akzent, was sein Rufen noch eindringlicher machte und er dachte, während die Sonne ihn jetzt blendete und er durch den Schweiß nicht mehr deutlich sehen konnte, "Halt die Klappe, halt endlich die Klappe"! 

Er spürte den Wunsch, zum Lehrer zu gehen und zu schreien, er solle den Mund halten, er spürte, wie dieser Gedanke ihn erregte, dass er wieder leichter und schneller laufen konnte, dieser Gedanke, den Mann anzufahren, anzubrüllen: "Halt die Klappe, halt endlich deine dreckige Klappe". Dann fiel ihm noch ein: "Halt deine verdammte Schnauze" und "Du kotzt mich an!" und dann auf den Boden zu spucken!

Das hatte ihm für einige Sekunden Kraft gegeben, aber er würde es nicht tun und nachdem dieser Anflug innerer Raserei vorbei, brannten seine Augen stark, dass er sich leicht taumelnd nach rechts wandte und sich auf den Rasen des Platzes fallen ließ. Er schloss die Augen, hörte das Rufen seiner Schulkameraden, aber es interessierte ihn nicht mehr, es war ihm gleichgültig. 

Nach einer Weile öffnete er die Augen, blinzelte und sah, dass vor seinem Gesicht kleine Gänseblümchen, deren Stängel leicht behaart. Er war sich bisher noch nicht darüber klar gewesen, wie viele Blütenblätter so ein kleines Gänseblümchen, ja dass die gesamte Blüte sehr komplex aufgebaut. Mich auch mit dem kleinen und scheinbar unscheinbaren in Zukunft beschäftigen, dachte er und freute sich über diesen Gedanken, er würde ihn notieren.

Mühselig stemmte er sich hoch und kehrte zur Gruppe zurück. Er sagte, er habe nicht mehr richtig sehen können und starke Seitenstiche gehabt, vor seinen Augen flimmere es noch immer, vielleicht müsse er sich übergeben. 

Der Sportlehrer fürchtete, er könne zusammenbrechen und schickte ihn vorzeitig in die Umkleidekabine. Auf dem Weg dorthin beugte er sich einmal hinab und pflückte ein Gänseblümchen, um es dann endlich allein in Ruhe betrachten zu können.