Samstag, 24. Dezember 2016

Der Weihnachtsbrief, Teil 5!

Wenn Sie jetzt nicht sehr schnell in die Wärme kam, konnte sie noch immer sterben, obwohl sie sich für das Leben entschieden hatte. Es war für Dezember nicht sonderlich kalt, um die 6 ° Celsius, es regnete nicht, aber es ging ein leichter Wind. Um Hilfe zu rufen, wäre nicht erfolgversprechend gewesen, denn der Park wurde im Winter, wenn es dunkel wurde, verschlossen und man musste sich gut auskennen, um hineinzukommen. Die nächste unverschlossene kleine Pforte, da das Schloss verrostet und deswegen nur angelehnt, damit es nicht als offen auffiel, war etwa einen Kilometer von der Stelle, an der sie sich jetzt befand. Das war nicht weit, in ihrem Zustand aber sehr weit. Konnte sie die Prothese überhaupt umlegen, denn ihre Finger waren erneut taub und  blutleer. Es kam darauf an, nur das wichtigste zu tun, um so schnell wie möglich loszugehen, anderfalls würde sie wahrscheinlich das Bewusstsein verlieren. Sie nahm das Hemd und band es sich um die Hüfte, ebenso den Pullover, die Jacke legte sie um die Schultern, ohne zu versuchen in die Ärmel zu schlüpfen, das dauerte zu lange. Das wichtigste war die Prothese, nach langem Mühen gelang es ihr, sie zu befestigen, schlüpfte in den linken Schuh, ohne ihn zu binden und ging los. 

Sie zitterte nicht nur, sie schlotterte, aber offensichtlich trug ihr Schlottern zusammen mit dem Gehen dazu bei, dass sie sich langsam kräftiger fühlte und ihr Herzschlag sich stabilisierte. Jetzt schien es ihr möglich, dass sie diesen Kilometer gehen konnte. Sie dachte nicht mehr an Kränkungen, Liebesschmerz, den Sinn des Lebens, nicht an David, seinen muskulösen Körper sondern, dass sie nicht stürzen wollte in der Dunkelheit, dass sie ihre Kräfte einteilen musste, gleichmäßig atmen und dass sie es durchhalten wollte, bis zur kleinen Pforte, dort konnte sie zusammenbrechen, man würde sie finden!

An der Pforte angelangt jubelte es in ihr: Sie hatte dem Tod ins Gesicht gesehen, zum zweiten Mal in ihrem Leben: das erste Mal als Kind, war gerettet worden, hatte aber ihr Bein verloren, jetzt hatte sie selbst den Tod gesucht, ihn vor Augen gesehen und sich abgewendet, dem Leben zu: Sie hatte sich selbst gerettet! 

"Dort vorne ist diese große weiße Villa, alles erleuchtet, ich klingele dort!"

Als ihr eine hübsche junge Frau öffnete, mit brünettem, glattem Haar, das gesund und scheinend, schlug diese entsetzt bei Ihrem Anblick die Hand vor den Mund: Ein offener Schuh, um die Taille ein nasses Hemd und Pullover, darunter sichtbar ihr gesundes Bein und die Prothese, um den Oberkörper die Jacke geworfen, so dass ebenfalls nur unvollständig bedeckt, das Haar wirr, das Gesicht bleich und vor Anstrengung verzerrt. 

"Aaron, Aaron, um des Himmels willen, komm sofort! Komm schnell!" rief sie. Statt Aarons kam aber zunächst ein kleiner brauner Hund herangerannt, der wild zu kläffen begann, dann zwei Kinder im Alter von etwa 5 und 3 Jahren und dahinter kam ein schlanker, hochgewachsener Mann, mit braunem Gesicht, dunklem Bartschatten und schwarzen Augenhöhlen.

Er erfasste sofort die Situation und gab knappe Anweisungen: 

"Sie muss ins Wohnzimmer, auf den Diwan, nimm Du die Beine Elisabeth, Kinder, rasch, holt alle Decken, die ihr tragen könnt. Snoopy, still!" Und tatsächlich hörte der Hund auf zu bellen und schloss sie die Augen, gewiss, dass ihr jetzt nichts böses mehr widerfahren würde, sie war gerettet! 

Sie war nicht tatsächlich ohnmächtig geworden, aber als sie die Augen wieder öffnete, hörte sie Musik, die sie kannte! Das zweite Klavierkonzert von Johannes Brahms, war das nicht die Bernstein Einspielung?

"Ist das die Bernstein Einspielung?"

"Ja, ist sie, gefällt sie ihnen?" antwortete Aaron.

"Können Sie auf Minute 23 zurückgehen!"

"Gerne!" antwortete Aaron. Sie schloss die Augen von Neuem und erbebte, als sie die ihr so bekannte Musik hörte, aus der eine Welt zu ihr sprach, die ihre Pforten zum Glück für sie öffnete und die Erhabenheit zu ihrem Elend hinabstieg und ihr die Hand reichte. 

Sie hörten schweigend den Satz zuende, dann stoppte Aaron die Musik und sagte:

"Ich begrüße sie also stellvertretend in unserem Heim. Darf ich nach ihrem Namen fragen!"

"Bella, ich heiße Bella." 

"Bella, die Schöne!" rief Elisabeth.

"Ja", anwortete Bella, "aber nur dann, wenn die Schulkameraden nicht hinter ihrem Rücken bellen, wenn sie vorbeigegangen sind." 

Da kamen die beiden Kinder ausgelassen auf Bella zu, warfen sich auf sie und fingen ein lautes Kindergebell an, das Snoopy zusätzlich orchestrierte. Alle lachten, in das hinein erneut die Klingel der Haustüre erklang.

Herein kam der von den Kinder sehnlich erwartete Weihnachtsmann, sie sangen "Oh Tannenbaum" und herzergreifend: "Es ist ein Ros` entsprungen!". Es wurden Fotos gemacht und zum Abschied trug der Weihnachtsmann ein Gedicht vor:

"Die Sonne weicht dem Licht der Sterne,
gekommen ist die schöne Weihnachtszeit!

Kinderherzen schlagen höher,
Glocken klingen nah und ferne,
und ein Wunsch entsteigt dem Schein der Kerzen:

Lasst Hoffnung wachsen
in unseren Herzen,
Frieden, Frieden sei auf Erden,
leuchten soll die Weihnachtszeit!
Lasst uns alle diese Nacht nun feiern,
damit das Licht der Liebe
besiegt die Dunkelheit!"

Ende von der Weihnachtsbrief

Musik: